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Gülpinar Günes

Multimedia Journalistin

  • Gülpinar Günes

Geschäftsführerin und Egerkinger Gemeinderätin: Das Porträt einer Frau, die ihren eigenen Weg geht

Denise Bürgi mit Hund Ernesto auf einem Spaziergang in Egerkingen. Bild: Bruno Kissling


Ein weisser Mercedes Kombi fährt heran. Am Lenkrad die Unternehmerin Denise Bürgi. Sie verschwindet in der Garage ihrer Firma, bevor sie einige Augenblicke später aus dem Fronteingang wiederauftaucht. Sie hat ihren dicken, schwarzen Mantel bis zu den Ohren gezogen, ihr blonder Bob fällt locker auf dessen Kragen. «Guten Morgen», sagt sie, ihre Stimme kräftig. Die roten Lippen leuchten durch den Morgennebel, ebenso wie ihre weissen Zähne, wenn sie lacht. Sie klopft die Haare ihres Hundes aus der dunklen Hose, während dieser weiter um ihre Beine schleicht. An ihren Füssen trägt sie dieselbe Schuhmarke, die auch Wladimir Putin vorzieht: Haix. Wenig bekannt ausserhalb von behördlichen Institutionen. Ebenso wie die Geschäftsführerin der Firma, die die Schuhe vertreibt. Denise Bürgi kandidiert nächstes Jahr zum ersten Mal für den Kantonsrat und hat bald ihre erste Legislatur im Egerkinger Gemeinderat hinter sich. Wer ist die Unternehmerin und was bewegt sie?

Johanna Bartholdi, Gemeindepräsidentin: «Es war ein Zufall, dass ich auf sie gestossen bin. Wir hatten zunächst ihren Vater im Fokus für den Gemeinderat. Als sich dieser aus der Geschäftsleitung der Haix Vertriebs AG zurückzog, kam nur sie infrage.»


Vieles im Leben der 45-Jährigen sei aus Zufall geschehen. «Vieles hat sich ohne Druck und Erwartungen gefügt», sagt sie auf einem Spaziergang entlang der Dünnern, unserem zweiten Treffen. Während des ersten Gesprächs in ihrem Unternehmen eine Woche davor erfahre ich, dass die Wynauerin mit 17 eine Lehre zur SBB-Disponentin absolvierte: Als junge Frau geniesst sie die Freiheiten bei der Bahn und lässt sich in verschiedene Städte versetzen, lernt weitere zwei Landessprachen.

Noch heute habe sie «Schotter im Herzen», wie sie sagt. Vor rund 17 Jahren tritt sie dem Unternehmen ihres Vaters bei, als Kundenberaterin. Später übernimmt sie die Haix Vertriebs AG in Egerkingen und zieht vor sieben Jahren in die Gemeinde. Das Unternehmen wächst konstant und unabhängig von der Produktionsfirma in Deutschland, der Haix Group. Sie stellt seit mehr als 30 Jahren Arbeitsschuhe für Feuerwehre, Rettungsdienste, Polizei und Armeen auf der ganzen Welt her.

Heute, im Hauptgebäude des Schweizer Vertriebs vis à vis des Hotel Egerkingen, schwärmt Bürgi von den «weltweit besten» Funktionsschuhen, die sie exklusiv in der Schweiz vertreibt. Sogar die Schweizer Armee gehört zu ihren Kunden. Ein scheinbar nahtloses Curriculum Vitae. Sie sagt, dass sie bisher nichts bereue.

Das lässt das Herz der Unternehmerin höher schlagen

«Etwas Matsch und Wind draussen in der Natur brauche ich zum Ausgleich», sagt Denise Bürgi und blickt mit einem Lachen auf ihren Hund. Ernesto ist während des Spaziergangs an der Dünnern nicht an der Leine und zieht seine Runden auf dem feucht-kalten Gras. Er ist ein Strassenmischling mit weichem, braun-schwarzem Fell und ragt Bürgi kaum bis zum Knie. Sie habe ihn Anfang November aus einem Tierheim geholt, das ihn aus der Slowakei gerettet habe. Eineinhalb Monate nachdem sie Nico, ihren ehemaligen Hund, habe einschläfern müssen. «Das hat mir schon extrem weh getan», sagt sie. Sie spricht langsam über dieses Thema, findet nicht viele Worte. Schnell sei es gegangen, innerhalb von vier Tagen sei alles passiert: Leukämie. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell wieder einen neuen Hund habe. Aber ich kann einfach nicht ohne.»

Sie muss schmunzeln, wenn sie Ernesto ansieht. Der Strassenhund sei zu Beginn sehr zurückhaltend gewesen. «Jetzt weiss er aber, dass er mit mir schmusen kann und von mir Essen kriegt», sagt sie lachend. Er taue auf. Sie auch.

Johanna Bartholdi: «Denise ist jung, frisch und politisiert mit Verstand. Sie lässt keine heisse Luft raus und darum habe ich sie dann auch für den Kantonsrat angefragt. Dort braucht es mehr Vertreter von Kleinunternehmern.»

Denise Bürgi fällt auf: Mit ihren blondierten Haaren, dem leuchtroten Lippenstift und ihren Tattoos. Man glaubt, noch das rebellische junge Mädchen in ihren hellen Augen zu erkennen. Das sei sie aber früher gewesen. Heute ist sie Ehefrau, Mutter, Unternehmerin und Politikerin – trägt Verantwortung. Heute habe sie gerne Sachpolitik, logische und zielführende Gespräche.

Mehr noch als ihr Aussehen fällt dabei ihre Art und Weise auf: Denise Bürgi ist direkt und unkompliziert. Sie bietet schon beim ersten Treffen das Du an, das mache alles einfacher. Und fast schon selbstverständlich nimmt sie sich zwei Mal knapp zwei Stunden Zeit zum Sprechen, zum Kennenlernen. Obwohl sie zu tun hat, mehrere Sitzungen vorbereiten muss. Das Handy rührt sie kaum an. Wenn, dann entschuldigt sie sich dafür.

Bürgi ist freisinnig, durch und durch. Dass sie und nicht ihr Bruder die Geschäftsleitung hat, das habe sich irgendwann so ergeben und habe nichts mit ihrem Geschlecht zu tun: Denn Quoten für Frauen in Führungsetagen und der Politik lehnt die FDPlerin entschieden ab. Sie sei überzeugt, dass man Frauen auf ihrem Weg unterstützen, aber nicht vorziehen müsse. Auch die Konzernverantwortungsinitiative habe sie abgelehnt. Die Idee finde sie zwar «wahnsinnig gut und erstrebenswert». Auch Haix produziere ausschliesslich in Europa und im Alltag schaue sie darauf, umweltverträglich zu konsumieren.

Ihre Worte wählt sie schon so vorsichtig, wie Politiker, die man in der Tagesschau sieht. Aber sobald es den Kleinunternehmer mit noch mehr Bürokratie trifft, ist Schluss für sie. «Die Wertschätzung für Kleinunternehmer, die sich tagtäglich für ihre Firma aufopfern, ist mir wichtig», sagt sie. Ihre Stimme wird gefasster beim Thema, ihre Miene ernster. «Es ist unglaublich, was beispielsweise Beizen oder Spenglereien leisten. Ich bin selber Geschäftsführerin und weiss, wie viel Einsatz das erfordert.»

Auch FDPlerinnen haben zu Beginn Hemmungen

Denise Bürgi pfeift. Ernesto kehrt von all den spannenden Gerüchen und Gegenständen einer Erdgeschossterrasse neben der Dünnern ab und rennt unverzüglich auf Bürgi zu, die Zunge draussen. «Schau doch mal – er zeigt das erste Mal Emotionen!» Sie kniet auf den Boden. Während sie versucht, ihn zu streicheln, tapst der noch junge Rüde fröhlich um ihre Beine, angeheizt durch die aufgesetzte Babystimme von Bürgi. Sie lässt einen Freudenschrei los. «I cha nümm – du bist das erste Mal so richtig glücklich. Endlich sehe ich deinen wahren Charakter, wie cool ist das denn!» Sie lacht. Ihre Augen werden glasig.

Johanna Bartholdi: «Für das Amt im Gemeinderat haben wir zwei intensive Gespräche geführt. Ich zeigte ihr auf, was das für sie bedeuten wird. Dasselbe auch beim Kantonsrat. Es ist typisch Frau, dass man sich weniger zutraut. Aber ihre Ängste sind unberechtigt.»

Johanna Bartholdi hat als langjährige Gemeinde- und Kantonsrätin bereits nationale und internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ihre direkte Politik zeichnet sie aus. «Sie steht zu ihrer Meinung und wenn ihr jemand an den Karren fährt, dann fährt sie zurück – das finde ich cool», sagt Bürgi über ihr politisches Vorbild. Ähnliches sagt Bartholdi über sie.


Dennoch hat es einige Überzeugungsarbeit gekostet, bis Bürgi in die kommunale Politik eingestiegen ist. Fast vier Jahre später geht Bartholdi erneut auf sie zu und motiviert sie für den Kantonsrat. «Ich war zuerst schockiert», sagt Bürgi. Bartholdi habe ihr gut zureden müssen. «Sie hat mir gesagt, dass sie auch keine Erfahrung hatte, als sie eingestiegen ist», erinnert sie sich. Man müsse sich einfach Zeit lassen und lernen, indem man es macht.

Nun kandidiert sie gemeinsam mit ihrem Vorbild für den Kantonsrat. Eine Konkurrenz gebe es nicht unter den beiden FDP-Frauen. «Wir machen alles gemeinsam – ich will mich nicht in den Vordergrund stellen», sagt sie. Ob das wohl an der weiblichen Bescheidenheit liegt? Sie sei auch nicht nervös wegen der Wahlen. Wenn es nicht klappen sollte, dann vielleicht in der übernächsten Legislatur, so die Unternehmerin. «Ich bin auf dem Weg, der für mich bestimmt ist. Vieles hat sich unbewusst ergeben, ich hatte nie vor, Gemeinderätin zu werden. Alles passierte ohne Druck. Aber ich merke schon: Nun beginnt eine neue Ära. Ich bin gespannt.»

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