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  • Gülpinar Günes

Zamarian gibt nach 10 Jahren die Musikschulleitung ab — und hinterlässt einige Herausforderungen

Barbara Zamarian war zehn Jahre lang Leiterin der Musikschule Gäu. Sie sagt, die Schule müsste breiter abgestützt sein und um ihren Platz in der kommunalen Bildungspolitik kämpfen. Mit ihrem Abtritt Ende Jahr überlässt sie diese Aufgaben ihrem Nachfolger Thomas Maritz.

Bild: Bruno Kissling


Barbara Zamarian ist seit 10 Jahren Leiterin der Musikschule Gäu und leitete davor bereits die Musikschulen Wolfwil-Fulenbach und Oensingen-Kestenholz. Ende Jahr tritt die 55-Jährige ab und übergibt ihr Amt Thomas Maritz, dem Leiter der Musikschule Oensingen-Kestenholz. Die leidenschaftliche Musikerin betont, wie wichtig ihr Musikgesellschaften sind und was die Musikschule im Ganzen tun muss, um sich besser durchsetzen zu können.

Können Sie sich an Ihre erste Musikstunde erinnern? Barbara Zamarian: Ich glaube, das war Klavierunterricht. Ich durfte Privatunterricht bei Fränzi Kölliker in Wolfwil nehmen. Ursprünglich war es der Vorschlag meiner Eltern, aber es hat mir von Anfang an Freude gemacht.

Sie sind aber Querflötenlehrerin. Wie kamen Sie vom Tasten- zum Blasinstrument? Das passierte erst in der 8. Klasse an einer Weihnachtsfeier. Eine Klassenkameradin spielte damals ein Lied auf der Querflöte und ich habe es unglaublich schön gefunden. Ich habe dann meinen Eltern gesagt, dass ich das auch lernen will. Wenige Tage später brachte mir jemand aus der Musikgesellschaft Konkordia Wolfwil eine Querflöte vorbei und ich erhielt Unterricht in Olten. Ich war aber zuerst sehr langsam beim Lernen. Erst in einem Jugendmusiklager ging mir der Knopf auf und ich hatte grosse Freude am Spielen. Als Einzelkind war das gemeinsame Musizieren in der Jugendmusik für mich eine Erleuchtung.

Kann man den Unterricht von damals überhaupt mit heute vergleichen? Man ist heute viel qualitätsbewusster und die Ausbildung der Musiklehrer hat sich weiterentwickelt. Die ganze Pädagogik hat ebenfalls Fortschritte gemacht, aber das System mit wöchentlichem Unterricht ist gleich geblieben.

Es ist also alles etwas anspruchsvoller für Schüler und Lehrer geworden? Ich denke schon, ja. Damals haben Leute aus den Musikgesellschaften Blasin­strumente unterrichtet. Deswegen wurde das auch von der Musikschule getrennt. Vieles kam von den Musikgesellschaften aus. Sie hatten aber keine musikalische Ausbildung und waren Laien, die ihr Wissen vermittelten. Als dann die Musikschulen ihr Angebot auf Blasinstrumente erweiterten, haben sie das sehr unterstützt. Die Laien arbeiteten nämlich ohne Lohn. Auch darum wurde mit der Zeit alles an die Gemeinden übergeben. Für qualifizierte Musiklehrer bezahlen Kanton und Gemeinden Subventionen, nicht aber für Musikanten aus den Musikgesellschaften.

Wie hat sich das Interesse der Kinder in dieser Zeit entwickelt? Die Renner, wie Gitarre oder Klavier laufen immer gut. Blasinstrumente aber waren eher rückläufig, bis die Musikgesellschaften vor einigen Jahren wieder aktiv geworden sind. Sie haben Beginner-Bands gegründet, wo Schüler schon nach einem Jahr Unterricht am Instrument mitspielen können. Dort werden sie weitergereicht bis zur Jugendmusik und den Musikgesellschaften. Aber das gelingt nicht so. Den Jugendlichen gefällt es so gut in den Jugendmusiken, dass ihnen der Übertritt schwerfällt.

Können Sie als Musikschulleiterin etwas tun, um die Jugendlichen zu motivieren? Mir ist es unglaublich wichtig, dass die Musikschule gut mit den Musikgesellschaften zusammenarbeitet. Ich habe schon bald, nachdem ich an der Musikschule Gäu angefangen habe, Kontakt zu ihnen aufgenommen und gemeinsam ein Koordinationsteam gegründet. Wir treffen uns regelmässig zum Informationsaustausch. Ich teile ihnen den Stand der Blasinstrumente- und Perkussionsschüler mit und kann vermitteln, wenn jemand ein Instrument bei der Musikgesellschaft mieten möchte. Gemeinsam versuchen wir die Musikgesellschaften am Leben zu erhalten.

Warum ist Ihnen dieses Thema so wichtig? Es war so ein tolles Erlebnis für mich damals mit der Jugendmusik, gerade weil ich ein Einzelkind war. Gemeinsam das Hobby machen zu können, das hat mich nachhaltig geprägt. Wahrscheinlich wünsche ich einfach jedem Kind dasselbe … Das wird jetzt sehr emotional – da haben Sie mich gerade etwas überrumpelt mit der Frage.

Sie haben Tränen in den Augen, das muss Sie wirklich unglaublich berühren. Das ist furchtbar, das müssen sie dann aus dem Interview streichen (sie lacht). Es war einfach ein prägendes Erlebnis in eine Gruppe zu kommen, mit denen ich ein Leben lang Kontakt haben werde. Ich finde Musik etwas unglaublich Tolles, weil man so viel damit ausdrücken kann.

Wird Ihr Nachfolger das Amt genauso emotional weiterführen können? Das ist natürlich eine Charakterfrage. Aber ich weiss, dass er sich auch sehr für Musikgesellschaften engagiert. Und darum freut es mich sehr, dass er jetzt die Stelle erhalten und die Zusammenarbeit auch beibehalten wird.

Welche Herausforderungen kommen auf ihn zu im Zusammenhang mit Corona? Das letzte halbe Jahr war eine schwierige Zeit. Vor allem, weil wir wegen des Cocon-Prinzips* nicht mehr in die Schulhäuser reindurften. Ich musste externe Räumlichkeiten suchen, damit wir trotzdem Präsenzunterricht bieten konnten. Der Fernunterricht ist für eine Übergangszeit möglich, aber kein Ersatz dafür.

 

*Das Cocon-Prinzip Wegen Corona dürfen keine auswärtigen Schülerinnen und Schüler mehr in die Schulhäuser.

 

Warum ist es so schwierig, freie Räume zu finden? Es gibt sie fast nicht, ohne Miete zahlen zu müssen. Und die Gemeinden wollen das nicht. Sie verweisen uns auf die vorhandenen Räume in den Schulhäusern. Aber die Schulhäuser platzen sowieso schon aus allen Nähten … Ich kämpfe jedes Jahr dafür, dass wir zu unseren Räumen kommen. Und weil wir wegen Corona die vorhandenen Räume nicht mehr benutzen können, ist es ein schwieriges Unterfangen. Das wäre sicher etwas, das mein Nachfolger anpacken muss. Und zwar muss man das auf politischer Ebene lösen. Die Gemeinderäte müssen handeln und der Musikschule geeignete Räume zur Verfügung stellen. Es darf nicht immer jemand anders Vorrang haben. Der Wunsch der Musikschule wäre es sogar gewesen, ein Musikzentrum zu eröffnen.

Was ist das für ein Projekt? Als ich hier begonnen habe, hat die Musikschule Gäu das Qualitätslabel «quarte» erhalten. Damals hatte man schon die Idee, ein eigenes Musikzentrum zu schaffen, wo der Unterricht und Konzerte stattfinden können. Bis man aber so was hat, dauert es bis zu 20 Jahre. Und man braucht eine Lobby in der Politik. Es ist noch nicht in den Köpfen der Leute angekommen, dass Musik zur Bildung dazugehört.

Das Ganze scheitert also an den Behörden. Das ist fast etwas heftig ausgedrückt. Eher an den Kosten und am Platz. Die reguläre Schule hat immer Vorrang. Man baut ganze Schulhäuser, ohne nachzufragen, ob die Musikschule auch Bedarf hätte. Wir werden immer aussen vorgelassen. Man müsste also vermehrt den persönlichen Kontakt zu den Behörden suchen. Das wäre so das Nächste, das ich machen würde: Mit den Verantwortlichen der Gemeinden direkt sprechen.

Warum hat man das bisher vernachlässigt? Wir haben das Thema ständig an den Kommi ssionssitzungen diskutiert und auch unsere Delegierten aus den fünf Gemeinden des Zweckverbandes darauf sensibilisiert. Wir suchen alle nach Lösungen und obwohl sich die Situation Jahr für Jahr verschlechtert, ist es immer wieder mit noch mehr Abstrichen irgendwie gegangen. Dass alle paar Jahre die Gemeinderäte neu gewählt werden und die Ressortverantwortlichen wechseln, erschwert die Arbeit. Zudem braucht es eine Affinität zur Musik und positives Interesse für die Musikschule und deren Strukturen. Jemand muss die Zügel in die Hand nehmen. Das ist halt unglaublich zeitintensiv.

Ein Musikschulleiter aus dem Thurgau sagte vor zwei Jahren gegenüber «Tagblatt.ch», dass sich Musikschulen breiter abstützen müssen und politische Kontakte pflegen sollen. Geht die Entwicklung in diese Richtung? Ja, unbedingt. Das Musizieren muss mehr Fuss fassen. Das Angebot muss grösser werden. Nur wenn viele Menschen Musik machen, wird das Bedürfnis ersichtlich. Dafür brauchen wir aber wieder zuerst die Unterstützung der Gemeinden. Es geht dabei nicht nur um Subventionen. Man müsste bei den Musikschulen auch über eine ­Teilprivatisierung nachdenken. Unterricht für Erwachsene beispielsweise muss kostendeckend sein, für Kinder aber darf es auch kostenlos sein. Auch für die Musiklehrer wäre es wichtig, dass sie vermehrt an einem Ort ­arbeiten können. Viele haben nur ­Teilpensen und bis zu zehn Arbeitsstellen.

Warum hören Sie gerade jetzt auf, wo es so viel zu tun gäbe? Ich möchte nochmals eine andere Richtung einschlagen. Ich darf jetzt noch zehn Jahre arbeiten und habe mich gefragt, ob ich wirklich noch so lange Musikschulleiterin bleiben will. Obwohl es ein sicherer und toller Job ist, den ich stets von Herzen gern gemacht habe. Es juckt mich, nochmals etwas anderes zu unternehmen.

Und das wäre? Ich habe dieses Jahr das Wirtepatent gemacht und in der Solothurner Altstadt ein Lokal gefunden, in das ich mich verliebt habe. Anfang nächstes Jahr wird das zu einem Bistro umgebaut, wo eine kleine Bühne reinkommt. Da werden Konzerte und Kulturveranstaltungen stattfinden. Ich habe ein gutes Umfeld mit vielen Musikern und Kulturschaffenden und hoffe, dass es eine gute Kombination wird. Das Bistro «Punktelf» wird hoffentlich nächstes Frühjahr eröffnen.

Sie haben sich eine schwierige Zeit dafür ausgesucht. Ja, es sagen mir alle, dass das sehr mutig sei. Aber vielleicht ist das eben gerade der richtige Zeitpunkt. Die Leute wollen wieder raus.

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