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  • Gülpinar Günes

Leben im Bergwerksilo: Ein einzigartiges Zuhause mit Rundumsicht auf ganz Herznach

Vor 14 Jahren bauten Ueli Hohl und Brigitte Deiss das ehemalige Bergwerksilo in Herznach zu ihrer jetzigen Wohnung um und teilen es seither mit Gästen aus aller Welt.

Gülpinar Günes (Text & Video)


(Quelle: Britta Gut)

Herznach im Fricktal. Zwischen den Feldern im Osten des Dorfes ragt ein massiver Betontrichter zum Himmel empor. Das ehemalige Bergwerksilo. Wo während des Zweiten Weltkriegs rund 1000 Tonnen Erz gelagert worden sind, wohnen heute Ueli Hohl und Brigitte Deiss. Vor rund 20 Jahren baute das Paar das Silo eigenhändig in ihr heutiges Zuhause um – eine Loftwohnung mit Rundumblick auf die Wiesen und Häuser von Herznach.


Fast alles ist offen oder umgeben von Glas


Eine lange Metalltreppe an der Betonfassade des Silos führt in das unterste der drei Stockwerke der Wohnung, in die «Bergwerkstube», wie es das Paar nennt. Die ist nicht etwa die Stube der beiden Eigentümer.


Hier frühstücken die Gäste des Bed & Breakfast, das sich über die ersten zwei Stockwerke erstreckt. Die Besucher können sich über eine Wendeltreppe im Zentrum des Trichters frei nach unten oder oben bewegen oder sich im zweiten Stockwerk in ihre Schlafzimmer zurückziehen.

Brigitte Deiss und Ueli Hohl haben mit der Wohnung im Bergwerksilo in Herznach ihre persönliche Vision realisiert. Die Wohnung ist wie ein Loft mit einer Wendeltreppe im Mittelpunkt. Von der Wendeltreppe blickt man in die ersten zwei Stockwerke, wo das Bed & Breakfast ist. Zuunterst befindet sich die sogenannte «Bergwerkstube», der Frühstücks- und Aufenthaltsraum für die Gäste. (Quelle: Britta Gut)


Im dritten Stockwerk ist das Reich von Brigitte und Ueli, wie die beiden gerne genannt werden. Oberhalb der Wendeltreppe, mitten in der Wohnung, hängt hier ein kleiner Dschungel mit Kletterpflanzen und Kakteen, die sich nach den Sonnenstrahlen von der verglasten Decke recken.


Das 80-jährige Konstrukt besteht aus dunklen Holzbalken, die das Dach stützen und natürliche Trennwände zwischen den Wohnbereichen Küche, Esstisch und Sitzgruppe schaffen. Lediglich das Schlaf- und das Badezimmer des Paars liegen hinter echten Wänden und verschliessbaren Türen versteckt, ansonsten ist die ganze Wohnung offen und umgeben von einer Glasfront.


Um das Jahr 2000 war hier allerdings noch eine grosse Abraumhalde, wie sich Ueli erinnert. Die Siloruine als dunkler Trichter mit verlorenem Zweck. Der 78-Jährige sagt:

«Als ich vor 50 Jahren hierhin kam, habe ich eine Ruine vorgefunden.»

Von 1937 bis 1967 wurde auf demselben Gelände im Untertagbau Erz abgebaut – das Stollensystem hinter dem Silo soll einst 32 Kilometer lang gewesen sein. Das Bergwerk gehörte damit zu den wichtigsten Arbeitgebern im Fricktal. 1942 wurde schliesslich das Silo gebaut, wo das geförderte Erz zwischengelagert wurde. 25 Jahre später aber rentierte das Werk nicht mehr. Es wurde stillgelegt, die Stollen stürzten ein. Bis sich der gelernte Mühlenbauer Ueli mit seinem Unternehmen auf dem Gelände niederliess, einige Schritte abseits des Silos.


Eine Vision wird zur Realität


«Ich hatte die Idee, dass es schön wäre, hier oben zu wohnen», erinnert sich Ueli an den ersten Funken, der die Vision des Umbaus aufflackern liess. Auch seine Partnerin erinnert sich an die Entstehungsphase: «Manchmal sassen wir hier draussen auf der Mauer, haben in das schwarze Loch hinuntergeschaut und uns Gedanken gemacht.»


Denn die erste Phase sei nicht einfach gewesen, viele Fragen mussten geklärt werden: Wie soll Licht in den dichten Trichter kommen? Wo soll die Treppe durchführen? Wie soll es aufgebaut sein? Die Idee mit den drei Etagen und dem Bed & Breakfast sei dann im Verlauf des Baus entstanden.


Doch bis 2001 war es gesetzlich gar nicht erlaubt, den historischen Bau zu verändern. Erst mit der Änderung des Gesetzes konnte Ueli seine Vision realisieren und reichte gleich darauf das Baugesuch mit den selbst gezeichneten Plänen ein. Einen Monat später erhielt er die Erlaubnis.


Das Bergwerksilo wurde um 1940 erbaut und 1942 in Betrieb genommen.Die alte Struktur ist noch heute gut erhalten. Im Dach aber wurde ein Glasfenster eingesetzt und das Innenleben wurde auch ziemlich verändert. Ueli und Brigitte wissen jedoch genau, wie die eingebaute Technik funktioniert. In einem Fotoalbum bewahrt das Paar Erinnerungen an die Umbauphase. Die Metalltreppe beispielsweise wurde auf den Schienen transportiert. (Quelle: zvg/Britta Gut)


Zwei Jahre lang arbeiteten die beiden anschliessend an ihrer Vision, sägten die Platten für den sandfarbenen Steinboden, legten sie alle einzeln von Hand aneinander. Sie waren von Anfang an federführend und kennen das Gebäude in- und auswendig. «Wenn man sie fragt, wo das eine oder andere Röhrchen durchgeht, dann wissen sie das. Das ist das Faszinierende, das sie geleistet haben», sagt Jacqueline Boschung.


Sie konnte Anfang 2019 das Bed & Breakfast als Pächterin übernehmen und ist heute für alles rund um die Gäste- und Besucherbetreuung zuständig. Sie löste damit Brigitte ab, die Ende 2018 pensioniert wurde und nach 14 Jahren als Gastgeberin die Leitung abgab. Sie hat uns auch anstelle der Eigentümer durch die Wohnung geführt:



(Quelle: Gülpinar Günes)


Im Gegensatz zu Brigitte und Ueli kann Jacqueline morgens kommen und abends wieder in ihr Zuhause in Herznach zurückkehren. Das Paar aber hat seit 14 Jahren Jahren fast rund um die Uhr fremde Gäste in ihrer Wohnung, bis zu 14 an Spitzentagen. Sie kommen aus der Schweiz und der ganzen Welt, sind Touristen, Wanderer, Velofahrer, Geschäftsleute – bunt durchmischt.


Früher frühstückte das Paar sogar gemeinsam mit ihnen in der eigenen Stube, heute betreut Jacqueline sie in der Bergwerkstube. Brigitte sagt:

«Wir hatten von Anfang an Gäste hier – ich kenne es nicht anders.»

Es sei zu einer Gewohnheit geworden, dass die Gäste am selben Tisch sitzen und mit ihnen frühstücken. So hätten sich viele interessante Gespräche und Freundschaften entwickelt, wie sie sagen. Und natürlich seien oft auch dieselben Fragen rund um den Bau des Silos gestellt worden, etwa ob die Holzbalken noch die Originalen seien, wie lange der Bau gedauert habe oder ob das Gebäude bei einem Sturm schwanke.


Auch wenn sie vielleicht das eine oder andere Mal in den 14 Jahren gerne etwas mehr Ruhe gehabt hätten, vermissen Ueli und Brigitte ihre Gäste, wenn mal keine da sind. Dann werde es ihnen schon fast langweilig. Denn sie teilen sie gerne, die Einzigartigkeit des Lebens im Silo.


Die Wohnung ist sowohl von unten, als auch von oben zugänglich. Eine Terrasse führt in den grossen Garten des Silos. Hier fuhr einst die Bergwerkbahn durch, deren Schienen noch erhalten sind. Weiter hinten ist der Garten mit dem grossen Springbrunnen im Hintergrund, den Ueli eigenhändig eingebaut hat. (Quelle: Britta Gut)


«Hier hat man das Gefühl von Freiheit», sagt Brigitte und vergleicht die Wohnung mit ihrem alten Zuhause zwischen vier Wänden. Das Landschaftspanorama und der grosse Garten hinter dem Silo vermitteln eine unmittelbare Nähe zur Natur. «Das war am Anfang schon speziell – da haben wir oft rausgeschaut und genossen, wie die Vögel auf Augenhöhe durchfliegen», erinnert sich Brigitte. Das habe aber auch seine Tücken.


Einerseits werde es im Frühling und im Herbst ziemlich heiss in der Wohnung, weil die Sonne den ganzen Tag hineinscheint. Durch eine Öffnung im Dach könne die Hitze dann aber gut entweichen. Wenn dazu noch die Fenster geöffnet seien, dann lüfte es schön durch die ganze Wohnung. Das locke hin und wieder auch Vögel in die Wohnung, die auf den dunklen Holzbalken Halt machen, verweilen und Spuren ihrer Anwesenheit hinterlassen. Die Eigentümer aber nehmen das gelassen.


«Jetzt spinnt er total», hiess es


Ein bisschen verrückt ist es schon, was Ueli und Brigitte hier auf die Beine gestellt haben. «Jetzt spinnt er total», hätten die Einwohner von Herznach vor rund 20 Jahren noch über Uelis Vorhaben gedacht. Heute sind wohl auch die letzten Skeptiker überzeugt vom Silo, das zum Aushängeschild der Fricktaler Gemeinde geworden ist.


Ein ungewöhnlicher Alterssitz für Ueli Hohl und Brigitte Deiss und für Ueli das letzte grosse Projekt, das er realisiert hat. Seither widme er sich nur noch kleineren Dingen, wie beispielsweise der Installation eines mehrere Meter hohen Springbrunnens im Garten.

«Ueli kann keine fünf Minuten stillsitzen – er ist ein Macher und hat Ideen, die umgesetzt werden müssen», weiss auch Jacqueline bereits nach zwei Jahren Bekanntschaft mit ihm. Auf dem Gelände des Silos werde es ihm aber nie langweilig.

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