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Gülpinar Günes

Multimedia Journalistin

  • Gülpinar Günes

Das Erz der Erzmatt: Die Suche nach 200 Jahre alten Stollen


Ein gelbes Massband liegt auf dem Waldboden bei der Erzmatt. Daneben stecken alle paar Meter Metallstäbchen in der Erde. Etwas abseits davon schauen zwei Wissenschaftler durch die Linse eines Messgeräts während ein dritter einen Reflektor danach ausrichtet. Das Team ist letzte Woche extra aus Berlin angereist für die Messungen in Balsthal. Sie sind auf geophysikalische Vermessungen für archäologische Untersuchungen spezialisiert, weiss Beat Meier. Er ist pensionierter Geologe und leitet zusammen mit Rouven Turck von der Universität Zürich die Untersuchungen im Wald. Gemeinsam mit dem Team will Meier nachweisen, dass auf der Erzmatt vor rund 200 Jahren Bohnerz in unterirdischen Stollen abgebaut wurde: Er vermutet drei Stolleneingänge und ein dichtes Stollennetz im Boden.


Der Waldboden auf der Erzmatt sieht auf den ersten Blick allerdings unspektakulär aus. Sieht man aber näher hin, erkennt man kleine Gruben rund um die Untersuchungsstelle: Gleich drei beieinander, alle verdeckt mit Unterholz. Meier nennt sie Pingen, die wissenschaftliche Bezeichnung dafür. Er vermutet, dass es sich dabei um eingestürzte Abbaustellen handelt, wo Bohnerz ausgebeutet wurde. Tiefer im Wald, entlang dem Massband sind weitere Gruben im Boden. Einer davon könnte ein sogenannter Wetterschacht sein, wodurch frische Luft in die Stollen gelangte. Beim anderen Graben glaubt Meier sogar einen der drei Stolleneingänge gefunden zu haben.

Bild 1: Unter den vielen Plfanzen glaubt Beat Meier einen Stolleneingang gefunden zu haben. Bild 2: Das ist eine Pinge. Darunter wurde vermutlich Bohnerz abgebaut. Bild 3: Links ist Rouven Turck bei den Messungen mit dem Theodolit. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des archäologischen Instituts der Universität Zürich.


Warum sucht ein Geologe nach Stollen auf der Erzmatt?


Vor drei Jahren entdeckte Beat Meier ungewöhnliche Löcher und Hügel auf einem Laserbild der Erzmatt (siehe Abbildung unten), wo die Oberflächenstruktur des Geländes gut sichtbar ist. Meier konnte sich die Strukturen wissenschaftlich nicht erklären und besichtigte die Stellen. Dabei entdeckte er schliesslich die überwucherten Gruben im Boden und vertiefte seine theoretischen Untersuchungen. Mittels geologischer Karten fand er heraus, dass sich unter der ersten Gesteinsschicht bei der Erzmatt eine breite Schicht Bohnerz befindet. Seine Schlussfolgerung: Hier wurde offenbar Bohnerz gefördert. Nur wann und von wem?

Karte 1: Das ist eine Karte der Klus. An der markierten Stelle befindet sich die Erzmatt.

Karte 2: Das ist ein «Digitales Terrainmodell», also ein Laserbild der Landschaft. Der Ausschnitt ist derselbe wie bei der vorherigen Karte. Karte 3: Ausschnitt aus der Erzmatt (der Norden ist oben): Ein hypothetischer Stollenplan von Beat Meier.


Dass im Thal um 1500 Bohnerz geschürft wurde, das sei bereits bekannt. Schon die Römer hätten im 1. und 2. Jahrhundert Spuren von Bohnerz in der Region hinterlassen, erklärt Beat Meier. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts aber soll der Kanton den Abbau selbst geregelt haben: Ein Dokument aus dem Jahr 1793 beweist, dass der Kanton Bewilligungen zum Erzabbau erteilte. Damals beauftragte er zwei Männer aus dem Schwarzwald für die Arbeit. Sie brachten viel Wissen über das Handwerk aus Süddeutschland mit, weiss Meier. Mit der Gründung der Firma «Ludwig von Roll & Cie.» in der Klus zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Bergbau auf der Erzmatt industrialisiert: Das Unternehmen vereinte die bestehenden Betriebe im Thal und erhielt 1811 die Erlaubnis des Kantons, einen Hochofen in der Klus zu errichten und das Bohnerz zu verarbeiten.


Das Unternehmensarchiv der Von Roll soll Antworten liefern


Wie der Abbau ausgesehen haben mag und ob es Stollen gegeben hat, hofft Beat Meier auch aus Dokumenten des Von Roll Archivs zu erfahren. Allerdings sind die nicht einfach aufzufinden, da das Archiv in den 90er Jahren teilweise aufgelöst wurde. Auch literarische Quellen werfen immer wieder neue Fragen auf, die das Von Roll Archiv beantworten könnte: Ein Lehrer namens Strohmeier aus Olten beispielsweise beschreibt den Bergbau in einem Text aus dem Jahr 1836. Darin steht, dass Knaben im Alter von 14 bis 18 Jahren das Bohnerz aus Nebenstollen in die Hauptstollen getragen haben sollen, wo es dann auf Hunten zu den Abraumhalden befördert wurde. Er erwähnt ebenfalls, dass das Erz noch vor Ort gewaschen wurde.


Heute aber ist davon nichts mehr zu sehen. Weder ein Gleissystem für die Hunten noch eine natürliche Wasserquelle. Bisher konnte Meier auch keine weiteren schriftlichen Quellen finden, die dasselbe behaupten. Ausser einige Fundstücke, wie Spaltkeile, Bergeisen oder Münzen aus dem 16. Jahrhundert, und den Gruben lässt wenig auf ein Bergwerk schliessen.


Die Suche nach Beweisen im Waldboden


Beat Meier führt auf dem Untersuchungsgelände auf der Erzmatt herum. Er zeigt auf einen rötlichen Erdhaufen auf dem Boden: Das sei eisenhaltige Erde, die oxidiert ist. Wahrscheinlich wurde sie vor einigen Hundert Jahren für den Bergbau ausgehoben, vermutet Meier. In der Hand hält er einen theoretischen Plan des Stollensystems, das er aus den geologischen Daten und seinen Feldgängen interpretiert hat (siehe Abbildung). Sollte die Karte stimmen, müssten die Forscher drei Stolleneingänge, mehr als zwanzig Nebenstollen und über 50 unterirdische Abbaustellen finden. Dokumente aus dem Staatsarchiv stützen seine These, aber sind noch kein Beweis.


Mit den geophysikalischen Tests will er Antworten auf die offenen Fragen finden und Fakten schaffen. Dabei wird er vom archäologischen Institut der Universität Zürich und vom Forscherteam aus Berlin unterstützt. Sie messen zunächst das Gebiet mithilfe eines Theodoliten, einem Messinstrument, ab. Anschliessend wird der Boden mit zwei unterschiedlichen Methoden inspiziert: Bei einer wird der elektrische Widerstand im Boden gemessen (Geoelektrik). Dafür wird mit Metallstäben elektrischer Strom in den Boden geleitet. Anhand der Messdaten und deren Auswertung können Strukturen im Boden gefunden werden. Bei der zweiten Methode werden hochfrequente Wellen in den Boden gesandt, die je nach Aufbau des Untergrundes wieder zurückreflektiert werden (Georadar). Auch das ergibt ein Strukturbild des Bodens.

Bild 1: Diese Metallstäbe leiten elektrischen Strom in den Boden. Damit können Strukturen im Boden gefunden werden. Bild 2: Das ist ein mobiles GPS-Gerät und wird auch zur Vermessung verwendet. Bild 3: Dieser Erhaufen hat einen Rotstich: Das ensteht, wenn eisenhaltige Erde oxidiert. Vermutlich wurde der Haufen beim Bergbau ausgehoben.


Archäologische Grabungen auf dem Gelände möglich

Sollten die Tests erste Hinweise auf Strukturen im Boden liefern, plant Beat Meier zusammen mit Rouven Turck eine grossflächige Untersuchung auf dem Gelände. Denkbar seien auch archäologische Grabungen, um beispielsweise einen Stolleneingang freizulegen. Und vielleicht könnte später daraus ein Museum entstehen. Aber das sei alles noch Zukunftsmusik: Bis die Resultate handfest sind, könnte es Sommer 2021 oder noch später werden. Bis dahin werde er seine Suche nach dem Von Roll Archiv weiterführen, um historische Fakten zu schaffen. Er sei bereits in Kontakt mit dem Kanton und ehemaligen Arbeitern der Firma. Dass die Untersuchungen ins Nichts laufen, davor habe er keine Angst: Es gebe immer etwas, das man auswerten kann.

 

Wer ist Beat Meier?

Beat Meier ist in Olten aufgewachsen und hat 1983 das Doktorat in Geologie an der Universität Basel abgeschlossen. Danach war er sieben Jahre lang Geologe und Geophysiker beim holländischen Erdölunternehmen Shell, wo er nach Erdöl auf der ganzen Welt suchte. In 1992 gründete er mit Kollegen ein Unternehmen, das geologische Studien für Firmen rund um die Welt anbot. 2016 wird er pensioniert und widmet sich der Recherche über den Bergbau.



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