- Gülpinar Günes
Bergwandern kann gefährlich sein: Mit diesen Tipps und Apps sind Sie sicher unterwegs
Wandern gehört zu den beliebtesten Sportarten in der Schweiz. Jedes Jahr kommt es dabei aber zu etlichen Unfällen, insbesondere beim Bergwandern. Zwei Experten sagen, wie sich das vermeiden lässt.

Die Schweiz wandert. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung zieht laut einer Studie des Bundesamts für Sport aus dem Jahr 2020 regelmässig Wanderschuhe an und macht sich auf in die Berge. Gleichzeitig verzeichnete der Schweizer Alpenclub SAC letztes Jahr mehr Bergwanderunfälle als in den vergangenen drei Jahren.
Auch diesen Sommer machten tödliche Wanderunfälle Schlagzeilen, darunter der einer 74-jährigen Frau, die sich im Nebel verirrte und schliesslich an einer Unterkühlung gestorben ist. Und nun steht mit dem Herbst erneut eine beliebte Wandersaison an. Da stellt sich die Frage: Wie bereitet man sich richtig auf eine Bergwanderung vor?
Organisationen wie die Schweizer Wanderwege, der SAC und das Bundesamt für Unfallverhütung warnen seit Jahren davor, Bergwanderungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Mit Tests und Ratgebern wollen sie Interessierte auf die Gefahren, die auf Bergwanderungen lauern, sensibilisieren. Denn viele überschätzen sich selbst oder unterschätzen die Bergwanderwege, sagt beispielsweise die Wanderleiterin und Co-Präsidentin des Schweizer Wanderleiterverbands, Léonie van de Vijfeijken aus Bergdietikon im Aargau.
Das erlebe sie hautnah bei ihren Kunden. So habe sie auch schon zu Beginn einer Mehrtageswanderung eine Kundin nach Hause schicken müssen, da sie einfach nicht fit genug war und die Wanderung verzögerte.
«Manche Leute sind technisch und konditionell schnell überfordert, wenn der Weg steiler und schmaler wird.»
Sie beobachtet, dass Unfälle nicht beim Aufstieg, sondern vorwiegend beim Abstieg passieren. «Dieser verlangt viel mehr Trittsicherheit und Kraft», sagt sie. Wenn man keine Energiereserven mehr übrig hat, könne das schnell gefährlich werden. So befand sich auch der Präsident des SAC-Zofingen im Abstieg auf nicht mehr sehr schwierigem Gelände, als er Anfang August abstürzte. Die Gefahr besteht auch für jüngere Wanderer, so van de Vijfeijken. Diese würden sich überschätzen, da sie ja «sowieso noch jung und fit sind».
Abstürze sind die häufigste Unfallursache. Das hält die Unfallstatistik des SAC fest, wie Bruno Hasler, Bereichsleiter Ausbildung und Sicherheit, weiss. Er zeigt sich etwas erstaunt über den tragischen Fall mit der 74-Jährigen, die sich im Nebel verirrt hat. Denn: Die Wanderwege sind in der Regel gut markiert – es sei denn, man begibt sich auf blau-weisse, alpine Wanderwege. Falls man doch mal die Orientierung verliert und das Wetter umschlägt, ist die Gefahr einer Unterkühlung laut Hasler durchaus real. Vorbereitung ist wichtig.
Hasler und van de Vijfeijken sind sich daher einig, dass die richtige Vorbereitung auf eine Wanderung umso wichtiger ist – einerseits organisatorisch, andererseits aber auch körperlich und mental. Sie geben Tipps, was man bei Bergwanderungen beachten sollte.
Vor der Wanderung
Die Route gut studieren:
Dazu eigenen sich beispielsweise Wanderführer im Internet oder als Buch. Aber auch Apps wie «SchweizMobil» oder «Swisstopo» sind sehr hilfreich. Bei beiden Apps kann man sogar eigene Routen zeichnen und die Karte offline herunterladen, sodass man sie auch bei schlechtem Handyempfang ansehen kann. Geübte Kartenleser können die Route selbstverständlich auch auf einer physischen Karte studieren. Es sollten schliesslich immer auch Drittpersonen über die Wanderung informiert werden, die im Notfall Auskunft geben könnten.
Weiter sollte man die Schwierigkeit, die Dauer und die Höhenmeter der geplanten Route kennen. Zur Schwierigkeitsskala gibt es eine hilfreiche Tabelle des SAC. Generell empfehlen die beiden Experten aber, als Anfänger mit kurzen und einfachen Routen zu starten und sich allmählich zu steigern. Die Wanderung sollte für das «schwächste» Mitglied der Gruppe gut machbar sein. Eine Alternative dazu wären professionell organisierte Wanderungen.
Zeit berechnen Als Faustregel zur Planung: Beim Aufstieg rechnet man mit 15 Minuten für 100 Höhenmeter (ohne Pausen!) sowie 15 Minuten für einen Kilometer Horizontaldistanz. Beim Abstieg sind es 15 Minuten pro 200 Höhenmeter und 15 Minuten für einen Kilometer Horizontaldistanz.
Weiter sollte man alternative Routen kennen. Auf diese kann man ausweichen, falls ein Gewitter aufzieht oder man sich aus irgendeinem Grund verzögert. Wenn man sich nicht sicher ist, wie die Verhältnisse auf der Route sind, kann man in Hütten telefonisch um Auskunft bitten.
Digital aufrüsten:
Handys können Leben retten und sollten darum voll aufgeladen sein und diverse Apps und Notfallnummer bereit haben. So etwa die Rega App: Wer sie in einem Notfall betätigt, schickt der Rega mit dem ausgehenden Notruf gleich die eigenen Koordinaten mit. Hilfreich ist auch die «Swisstopo» App mit der offline Karte. Dank GPS kann man seinen Standort auch bei schlechtem Empfang verfolgen und damit die Orientierung behalten beziehungsweise im Notfall den Standort besser durchgeben.
Aber nicht vergessen: Der Handyakku entlädt sich bei kalten Temperaturen viel schneller. Eine physische Karte gehöre deswegen immer noch in den Rucksack, bringt aber nur etwas, wenn man sie auch lesen kann.
Wetterprognose studieren:
Van de Vijfeijken empfiehlt die Wetterprognose über mehrere Tage auf unterschiedlichen Apps zu beobachten. Bleibt sie konstant, kann man eher davon ausgehen, dass sie mehr oder weniger stimmen wird. Allerdings sollte man sich nicht allzu fest darauf verlassen, das Wetter unterwegs stets beobachten und sich für allfällige Wetterumschwünge vorbereiten und dementsprechend packen.
Rucksack packen
Kleidung:
Sonnenschutz für Kopf, Augen und Haut sind unentbehrlich, ebenso wie ein guter Regenschutz und robuste Wanderschuhe mit gutem Profil. Weiter gehört in jeden Rucksack auch warme Kleidung, egal wie fest die Sonne scheint: lange Hosen, eine warme Jacke und vielleicht sogar Handschuhe, Mütze und Schal. Wenn das Wetter kehrt, wird es in den Bergen sehr schnell sehr kalt, im Herbst sowieso. Es gilt: Zwiebelprinzip. Die Wanderleiterin empfiehlt immer eine Taschenapotheke sowie eine Rettungsdecke dabei zu haben.
Während der Wanderung
Auf den Körper hören:
Ein gleichmässiges angenehmes Gehtempo ist wichtig, ebenso immer wieder eine kleine Pause einzulegen – das gilt insbesondere auch bei Wanderungen bei hohen Temperaturen. Dann ist es wichtig, genügend zu trinken, um leistungsfähig zu bleiben und keinen Sonnenstich zu erleiden. Sollte es zu anstrengend werden, lieber die Rückkehr erwägen als sich durch die Wanderung zu quälen – erschöpft passieren die meisten Fehler.
Unvorhergesehenes:
Bei drohendem Gewitter oder anderen natürlichen Hindernissen, wie reissenden Flüssen, ist immer Vorsicht geboten. Man sollte vermeiden in ein Gewitter zu kommen. Falls das unausweichlich ist, sollte man Grate und ausgesetzte Gebiete sowie Bäume meiden. Sollte starker Nebel aufziehen, so lange es noch geht Orientierung und falls nötig die letzte Wegmarkierung suchen. Falls man komplett verloren ist: Notruf tätigen und ausharren – dafür hat man die warme Kleidung eingepackt.
Vorsichtig muss man auch bei Kuh- und Schafherden sein. Hunde gehören dann ganz sicher an die Leine. Wenn möglich sollten die Tiere umgangen und nicht gestört werden. Bei Schafherden ist auch Vorsicht vor dem Herdenschutzhund geboten.
Körperliche Verfassung
Fitness:
Bergwanderungen setzen Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit voraus. Yoga, Spaziergänge, Konditions- und gezieltes Krafttraining für die Beine oder im Rumpf können helfen, die gewünschte Fitness zu erreichen. Natürlich auch regelmässiges Wandern.